Was ist EPP?
Die erythropoetische
Protoporphyrie (kurz: EPP) ist ein angeborener Stoffwechseldefekt und wurde 1961 das erste Mal durch Magnus und Mitarbeiter beschrieben. Hauptsymptom
ist eine Unverträglichkeit gegenüber Licht, Betroffene bekommen unter Umständen schon nach
kurzem Aufenthalt (5-10 Minuten) an der Sonne starke bis extreme Schmerzen,
meist begleitet von Jucken und Brennen. Aber auch künstliche Lichtquellen
können die Symptome auslösen. Auslöser ist das sichtbare Licht, hauptsächlich der blaue Anteil- dadurch sind Maßnahmen zum Schutz vor UV- Strahlung ("Sonnencreme" oder UV- Schutzfaktoren) bei EPP wirkungslos.
Zu Schwierigkeiten führt, dass bei der EPP Schmerzen schon
lange vor irgendwelchen sichtbaren Veränderungen wie Rötungen und Schwellung
auftreten, die sich häufig erst über Nacht entwickeln. Die unmittelbare
Reaktion auf Licht ist jedoch nur der Auslöser einer ganzen Kaskade an
Effekten, wie z.B. massive und tagelang andauernde Schmerzen hervorgerufen
durch die eigene Körperwärme!
Zudem gibt es
Auswirkungen auf innere Organe wie z.B. die Neigung zu Gallensteinen schon in
jungen Jahren sowie in seltenen Fällen eine Schädigung der Leber bis hin zur
Zirrhose, die sich völlig unabhängig von den Reaktionen aufs Sonnenlicht entwickeln.
Ursache:
Ursache der EPP
ist ein Gendefekt, der dazu führt dass ein bestimmtes Enzym, die
Ferrochelatase, nicht in genügender Menge hergestellt wird. Die Ferrochelatase
ist für die Bildung des roten Blutfarbstoffs (Häm) wichtig: Sie bindet ein
Eisenatom in die stern- oder ringförmige Trägersubstanz Protoporphyrin ein,
wodurch das fertige rote Pigment des Blutes entsteht.
Ist nun zu wenig
Ferrochelatase vorhanden, führt dies zum einen dazu dass weniger roter Blutfarbstoff
gebildet werden kann, was sich als vermeintlicher „Eisenmangel“ bei Bluttests
bemerkbar macht. Dazu später mehr. Der wichtigere Effekt ist aber, dass das
Protoporphyrin nicht verbraucht wird und sich dadurch im Körper anreichert. Als
eine Substanz, die sich an Fette anlagert haftet das Protoporphyrin an den
Zellmembranen der Blutgefässe anstatt einfach ausgeschieden zu werden. Abbildung zur Bildung des roten Blutfarbstoffs
Lichtunverträglichkeit:
Das überschüssige,
ungebundene Protoporphyrin hat die Eigenschaft, die Energie von sichtbarem
Licht aufzunehmen, und auch wieder als Energie abzugeben. Man kann diese
Eigenschaft sichtbar machen, indem man isolierte Lösungen von Protoporphyrin
mit sichtbarem Licht (vor allem dem blauen Anteil) bestrahlt: die ursprünglich
bräunliche Lösung beginnt dann intensiv pink zu leuchten (Fluoreszenz). Im
Körper dagegen wird die Energie, die das Protoporphyrin eingefangen hat, wieder
als Energie auf umliegende Substanzen wie den Sauerstoff übertragen. Der
Sauerstoff wird dadurch zu etwas ähnlichem wie freie Radikale und schädigt das Gewebe
massiv. Es sind – anders als bei Sonnenallergien - nur Hautpartien betroffen,
die dem Licht ausgesetzt sind. Abbildung zur Reaktion des Protoporphyrins mit Licht
Schädigung der
Haut:
Die Haut trägt
durch die Reaktion des Lichts mit dem Protoporphyrin eine Art Verbrennung davon.
Gleichzeitig wird durch die Schäden das Immunsystem aktiviert, wodurch eine
Entzündungsreaktion hervorgerufen wird. Zudem scheinen bestimmte Nerven gereizt
zu werden und lang andauernd sensibilisiert zu sein, wodurch eine schwer
beschreibbare Schmerzqualität entsteht, die sich auch über die Zeit und
abhängig von den Reizen verändert.
Kommt es zu –
meist zeitlich verzögerten- sichtbaren Veränderungen der Haut (Rötungen,
Schwellungen), hat bereits eine massive Schädigung stattgefunden. Leichte
Reaktionen auf die Sonne klingen in der Regel innerhalb von Tagen wieder ab,
sichtbare Veränderungen können Wochen zur Regeneration brauchen, zum Teil muss
die natürliche Erneuerung der Haut an den verbrannten Stellen abgewartet werden.
Die Haut regeneriert sich in der Regel vollständig, allerdings altern
empfindliche Partien wie die Hände schneller. Bei wenigen Betroffenen kommt es
zudem zu Einlagerungen von Bindegewebe an den Fingergelenken, der Nase und um
den Mund herum.
In sehr extremen
Ausnahmesituationen, z.B. bei einem erzwungen langen Aufenthalt an der Sonne (so
lange würde sich keine betroffene Person freiwillig der Sonne aussetzten)
können auch tiefgreifende Verbrennungen entstehen, die eine plastische
Wiederherstellung betroffener Partien (z.B. Nase) benötigen. Abbildung zu Verbrennungen durch Sonne
Priming – Effekt:
Eine Besonderheit
bei EPP ist, dass die einmalige Sensibilisierung gegenüber Sonnenlicht dazu
führt, dass die Haut sensibler gegenüber jedem weiteren Kontakt mit der Sonne, künstlichem Licht und anderen Reize wird: Auch
Wärme, Kälte, Luftzug, Berührung, besonders auch die eigene Körperwärme werden als
äusserst unangenehm bis schmerzhaft empfunden, was ohne die erste Reaktion auf
Licht nicht vorkommt. Dieser sog. Priming – Effekt dürfte auch der Grund dafür
sein, dass viele Ärzte und Lehrer etc. niemals eine EPP in ihrem vollen,
sichtbaren Ausmass kennengelernt haben dürften- in diesem Stadium verlässt kein Betroffener freiwillig das abgedunkelte Haus.
Schädigung der Leber durch Protoporphyrin:
Protoporphyrin ist in hohen Konzentrationen giftig für die Leber. Die Leber hat eigentlich eine sehr hohe Selbstheilungskraft- in seltenen Fällen
(ca. 2-5% der Betroffenen) kommt es aber vor, dass sie trotzdem eine Schädigung davon trägt.
Näheres zu Ursachen, Risikogruppen und Vorsichtsmaßnahmen befindet sich unter Leberbeteiligung.
„Eisenmangel“ bei
EPP:
Wie oben
beschrieben, ist die EPP eine Stoffwechselerkrankung: Das Enzym Ferrochelatase
ist in zu geringer Menge vorhanden, so dass die Ausgangsstoffe Protoporphyrin
und Eisen nicht vollständig miteinander verbunden werden. Dadurch entsteht ein
Mangel an rotem Blutfarbstoff, chemisch gesprochen dem Produkt der Reaktion.
In den meisten
Fällen, in denen eine Verringerung des roten Blutfarbstoffs (das Häm im
Hämoglobin) im Blut gemessen wird, nehmen die Personen zu wenig Eisen mit der
Nahrung auf, z.B. wegen dem Verzicht auf Fleisch, das sehr viel Eisen enthält.
Eine andere Ursache für Eisenmangel ist der erhöhte Bedarf an Eisen, z.B.
während der Schwangerschaft. In diesen Fällen ist es sinnvoll, extra Eisen in
Form von Tabletten oder Infusionen zu verabreichen. Bei EPP dagegen kann das
Eisen gar nicht verwertet werden, selbst wenn sehr viel Eisen vorhanden ist, ist das
Enzym der begrenzende Faktor. Da Eisen auch giftig sein kann, gerade wenn zu
viel davon ungebunden (also nicht als roter Blutfarbstoff) vorliegt, ist es
genau abzuklären ob eine Person mit EPP tatsächlich Eisen benötigt.
Achtung: Es gibt
eine Variante der Protoporphyrie, die gut auf Eisengabe anspricht. Diese sehr seltene Form, X-linked dominant Protoporphyria genannt, hat einen anderen Gendefekt als Hintergrund und wird meist von einer
Generation auf die nächste vererbt - im Gegensatz zur klassischen Form, die
häufig Generationen überspringt. Fachinfos dazu in den Literaturhinweisen.
Vitamin D- Mangel bei EPP: Vitamin D liegt in der Haut als inaktiver Vorläuferstoff vor und muss durch UV-B Strahlung in die aktive Form umgewandelt werden. Da EPP - Betroffene das Tageslicht meiden, haben sie häufig auch einen zu geringen Vitamin D- Spiegel im Blut. Die bekannteste Funktion von Vitamin D ist der Aufbau und die Stabilisierung der Knochen, es spielt aber auch eine Rolle im Immunsystem und vielen anderen Prozessen im Körper. Eine kontrollierte Einnahme von Vitamin D kann daher notwendig sein.
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Schauder
Fachliteratur zu den beschriebenen Themengebieten (Auswahl): Erstbeschreibung der EPP
Lancet. 1961 Aug 26;2(7200):448-51.
Erythropoietic protoporphyria. A new porphyria syndrome with solar urticaria due to protoporphyrinaemia.
MAGNUS IA, JARRETT A, PRANKERD TA, RIMINGTON C.
PMID: 13765301 [PubMed - indexed for MEDLINE]
Priming – Effekt
J Am Acad Dermatol. 1989 Aug;21(2 Pt 1):311.
The "priming phenomenon" in the acute phototoxicity of erythropoietic protoporphyria.
Poh-Fitzpatrick MB.
Department of Dermatology, New York Medical College, Valhalla 10595.
PMID: 2768585 [PubMed - indexed for MEDLINE]
„Eisenmangel“ bei EPP
Blood. 2007 Jan 15;109(2):811-8. Epub 2006 Sep 26.
Increased plasma transferrin, altered body iron distribution, and microcytic hypochromic anemia in ferrochelatase-deficient mice.
Lyoumi S, Abitbol M, Andrieu V, Henin D, Robert E, Schmitt C, Gouya L, de Verneuil H, Deybach JC, Montagutelli X, Beaumont C, Puy H.
INSERM U773, Paris, France.
Andere Form von Protoporphyrie
Am J Hum Genet. 2008 Sep;83(3):408-14. Epub 2008 Sep 4.
C-terminal deletions in the ALAS2 gene lead to gain of function and cause X-linked dominant protoporphyria without anemia or iron overload.
Whatley SD, Ducamp S, Gouya L, Grandchamp B, Beaumont C, Badminton MN, Elder GH, Holme SA, Anstey AV, Parker M, Corrigall AV, Meissner PN, Hift RJ, Marsden JT, Ma Y, Mieli-Vergani G, Deybach JC, Puy H.
Department of Medical Biochemistry and Immunology, University Hospital of Wales and, School of Medicine, Cardiff University, Cardiff CF14 4XN, UK.
Vitamin D- Mangel bei EPP
Br J Dermatol. 2008 Jul;159(1):211-3. Epub 2008 Jul 1.
Serum 25-hydroxyvitamin D in erythropoietic protoporphyria.
Holme SA, Anstey AV, Badminton MN, Elder GH.
Department of Dermatology, Queen Margaret Hospital, Dunfermline, KY12 0SU, UK. alex.holme@faht.scot.nhs.uk
Text und Abbildungen: Jasmin Barman